Welche körperlichen Auswirkungen hat Morbus Gaucher?

 

Die Anzeichen und Symptome von Morbus Gaucher entstehen durch die fortschreitende Ansammlung von Gaucher Zellen (Zellen mit Anhäufungen von nicht gespaltenen Stoffen) im Körper. In der Regel reichern sich Gaucher Zellen in Milz, Leber und Knochenmark an. Auch im lymphatischen System, in Lunge, Haut, Augen, Niere, Herz sowie im Nervensystem kann es zu Ansammlungen kommen.

 

Gaucher Zellen in der Milz

Aufgrund der Überaktivität der Milz werden rote Blutkörperchen schneller abgebaut, als sie produziert werden. Dadurch kann es zu Blutarmut (Anämie) kommen. Die roten Blutkörperchen sind für den Transport von Sauerstoff von der Lunge zu allen Körperzellen zuständig. Durch den Mangel an roten Blutkörperchen haben Menschen mit Anämie eine mangelnde Sauerstoffversorgung und ermüden leicht. Morbus Gaucher Patienten, bei denen die Milz in Mitleidenschaft gezogen ist, leiden daher mitunter unter Energiemangel und sind weniger abwehrfähig gegen Krankheiten. Oft fühlen Sie sich müde.

Die Hyperaktivität der Milz kann auch zu einem Mangel an weißen Blutkörperchen führen, da die Filtrationsrate erhöht ist. Beim Eindringen von Krankheitserregern ist es normal, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen im Körper schwankt. Wenn beispielsweise Bakterien oder Viren in den Körper gelangen, steigt die Zahl der weißen Blutkörperchen, um die Eindringlinge zu vernichten. Ist die Zahl der weißen Blutkörperchen durch die Gaucher Zellen in der Milz reduziert, kann dies die Infektionsabwehr des Körpers beeinträchtigen. Patienten mit Morbus Gaucher werden daher häufiger als andere Menschen krank.

Vor Einführung der Enzymersatztherapie musste Morbus Gaucher Patienten die vergrößerte Milz häufig operativ entfernt werden (Splenektomie). Nach dem Eingriff stellten die Ärzte jedoch oft eine vermehrte Ansammlung von Gaucher Zellen in der Leber fest. Die Splenektomie wird daher nicht mehr als Behandlung bei Morbus Gaucher empfohlen.

Die Überaktivität der Milz kann auch zu einer Verminderung der Blutplättchen (Thrombozytopenie) führen. Der Mangel an Blutplättchen beeinträchtigt die Blutgerinnung, wodurch die Neigung zu Blutungen und blauen Flecken steigt. Morbus Gaucher Patienten leiden daher oft vermehrt an starkem, häufigem Nasenbluten und an Zahnfleischbluten. Stärkere und längere Regelblutungen können ebenfalls auftreten.

Gaucher Zellen in der Leber

Gaucher Zellen können sich auch in der Leber anreichern und zur Vergrößerung der Leber (Hepatomegalie) führen. Eine mögliche Folge sind Leberzirrhose (Schrumpfung und Verhärtung der Leber), Narbenbildung in der Leber und andere Leberstörungen. Manche Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Gallensteine.

Gaucher Zellen in den Knochen

Bei den meisten Morbus Gaucher Patienten sind die Knochen auf die eine oder andere Weise betroffen. Der Prozess schreitet meist zunehmend voran und stellt für die Betroffenen eine der größten Belastungen dar.

 

Die Ansammlung von Gaucher Zellen im Knochenmark kann die Knochen auf unterschiedliche Weise schädigen. Die Gaucher Zellen können den Blutfluss behindern, was wiederum eine Schädigung von Knochengewebe (aseptische Knochennekrose und avaskuläre Nekrose) und damit dauerhafte Mobilitätsprobleme nach sich ziehen kann.

 

Eine weitere mögliche Folge der Gaucher Zellen im Knochenmark ist eine Rückbildung der Knochenmasse (Osteopenie). Die Mineralien Kalzium und Phosphor, die gemeinsam zur Festigkeit und korrekten Form der Knochen beitragen, sind weniger effektiv. Die Knochen werden infektionsanfälliger, ihre Dichte und Stabilität ist reduziert und sie brechen leichter.

 

Die Knochenschädigung bei Morbus Gaucher kann sich auch in einer ungewöhnlichen Verhärtung (Sklerose) des Knochenschafts oder in einer veränderten Knochenstruktur wie beispielsweise einer Abflachung am Ende des Oberschenkelknochens manifestieren. Bei gesunden Menschen hat der Oberschenkelknochen eine runde Form, bei Morbus Gaucher Patienten ist er am Ende des Hüftkopfes hingegen oft abgeflacht. Man bezeichnet dies als «Erlenmeyer-Deformität», da die Form des Knochens einem Laborgefäß namens Erlenmeyer-Kolben ähnelt. Die Verformung ist durch die mangelnde Bildung von neuem Knochengewebe aufgrund der Gaucher Zellen im Knochenmark bedingt.

 

 

Röntgenbild eines normalen Oberschenkelknochens

 

Röntgenbild eines Oberschenkelknochens mit Erlenmeyer-Deformität

Auf diesen Röntgenbildern ist der Unterschied zwischen einem normalen Oberschenkelknochen und einem mit Erlenmeyer-Deformität klar erkennbar. Die Verformung kann extrem schmerzhaft sein und zu Gehbehinderungen führen, da die Gelenkoberflächen nicht mehr reibungslos aneinander vorbeigleiten können.

Knochenkrisen

Knochenkrisen treten auf, wenn es in einem Bereich, in dem Gaucher Zellen den normalen Blutfluss stören, zu einem plötzlichen Sauerstoffmangel kommt. Typisch für diese Episoden sind intensive, akute Schmerzen (von manchen Patienten wie ein «Herzinfarkt im Knochen» beschrieben), die Stunden oder Tage anhalten können. Ursache für Knochenkrisen sind Schwellungen (Ödeme) in den und um die Knochen oder eine verminderte Knochendurchblutung (Gefäßverschluss).

 

Andere mögliche Symptome

Wachstumsverzögerungen: Wird Morbus Gaucher nicht behandelt, kommt es bei Kindern häufig zu Wachstumsverzögerungen. Bei unbehandelten Mädchen kann auch die Pubertät verzögert einsetzen. Oft beginnt die Regelblutung erst im späteren Jugendalter.

Verminderter Appetit: Die vergrößerte Leber und/oder Milz kann Druck auf den Magen ausüben, sodass Morbus Gaucher Patienten oft schon nach wenigen Bissen satt sind.

 

 

Die drei Verlaufsformen von Morbus Gaucher

Man unterscheidet drei verschiedene Typen von Morbus Gaucher: Typ 1, 2 und 3. Die Einteilung basiert auf den Symptomen und dem Verlauf der Störung. Alle drei Formen verlaufen progressiv, d. h. der Zustand kann sich im Laufe der Zeit verschlechtern. Typ 1 ist die häufigste Form von Morbus Gaucher; er betrifft nicht das Nervensystem. Der Krankheitsverlauf des Morbus Gaucher Typs 1 ist sehr unterschiedlich. Manche Patienten haben keinerlei Symptome und führen ein normales Leben, während andere unter vielfältigen und gelegentlich lebensbedrohlichen Erscheinungen leiden. Typ 2 und 3 sind seltener und betreffen weniger als 10 % aller Morbus Gaucher Patienten. Beim Typ 2 und 3 treten zusätzlich zu den Symptomen von Typ 1 neurologische Krankheitsanzeichen auf, wobei die neurologischen Symptome beim Typ 3 weniger stark ausgeprägt sind als beim Typ 2. Wegen der schweren Schädigung des Nervensystems werden Kinder mit Morbus Gaucher Typ 2 selten älter als zwei Jahre. Beim Morbus Gaucher Typ 3 treten die Anzeichen und Symptome der Krankheit in der frühen bis späten Kindheit auf. Patienten, die das Jugendalter erreichen, überleben meist bis zum Alter von 30 bis 40 Jahren.

 

 

GZCH.GD.19.08.0138